Als ich mit dem Spiel anfing, erwartete ich mir ein unkomplizierten Trip in eine was wäre wenn-Welt. Was wäre, wenn die Designprinzipien der 16 Bit-Ära heute noch aktuell wären? Eine unschuldige, bunte Grafik, eine strikte Oberwelt-Dorf-Dungeon-Struktur, diese Dinge.
Und genau das habe ich bekommen. Auf der einen Seite mit Abstrichen, auf der anderen Seite noch besser als erwartet.
Es ist nicht ganz so unschuldig, wie ich gedacht habe, weil viele Kostüme der Damen sehr sexualisiert sind. Nicht so schlimm wie in anderen heutigen RPGs, aber insbesondere Palmina ist mir zu zeigefreudig für die sonst unschuldigen Designs des Spiels. Schließlich kämpft man immer noch gegen diese Häschen, hier Mümmler, für mich werden's aber immer Pogopuschel bleiben.
Aber in Sachen Umgebungsdesign hat das Spiel voll aufgedreht. Die Dörfer sind so kuschelig, dass ich mich wahnsinnig gerne dort aufgehalten habe und mit der Kamera jedes Haus genau anschauen wollte. Leider kann man sie nicht betreten, das hätte es auf dem SNES so kaum gegeben.
Auch viele Umgebungen sind herzallerliebst, wenn auch oft nicht super fantasievoll. Aber das gehört sich auch so, Wald, Wiesen, Wüste, Schnee, das gehörte damals in so ziemlich jedes Spiel, auch in der Reihenfolge. Meine Favoriten sind die Areale auf dem Weg zum Manabaum, die Dörfer mit den Windmühen und am Vulkan und die Insel mit der großen Bibliothek. All die schrägen Bücherstapel habe ich geliebt. Die Musik ist dabei oft super passend, einer der besten Soundtracks seit Jahren, finde ich! Da merkt man eben auch den Rückgriff auf alte Designprinzipien. Hier untermalt die Musik nicht nur, sie gibt den Gegenden Charakter und prägt sich so beim Hören viel besser ein als wenn sich in der Erkundung ein Dutzend zurückhaltender Ambienttracks abwechseln, wie es heute ja meistens der Fall ist.
Es gibt Momente, da denkt man, man hat einen computeranimierten Film vor sich, dann reißen einen die steif animierten Figuren aber schnell wieder raus. Aber der
sprechende Baum gegen Mitte des Spiels ist schon echt gut animiert.
Zu den Kämpfen habe ich mich ja schon geäußert, das System ist passabel, aber das Spiel auch extrem leicht. In neuen Gebieten haut man die Gegnergruppen meistens sofort in 20 Sekunden weg. Das ist nicht geschätzt, es gibt einen Erfahrungsbonus für Siege in 10, 20 oder 30 Sekunden. Nur am Ende will das Spiel plötzlich fordernder sein.
Aber so hübsch das Spiel an vielen Stellen ist, musste ich beim Spielen an
@Shogokis früher oft geäußerte Kritik an 3D-Spielen denken, dass man zu viel läuft, ohne dass etwas passiert. Eine Kritik, die ich so nicht unbedingt teile, aber in dem Spiel schon. So viel toter Raum! Das dachte ich echt mehr als einmal. Die Areale sind bis auf eine Ausnahme linear und überschaubar, aber die Gegner erledigt man im Vorbeigehen und Entdeckungen werden alle vorweg genommen, weil alles schon vorher mit blauen Punkten auf der Minimap sichtbar ist. Eine, wie ich finde, falsche Entscheidung, weil die Areale hier so klein sind, dass richtiges Erkunden problemlos drin wäre. Das ist keine Open-World, in der man in eine halbe Stunde in eine Richtung laufen kann und wo diese Marker hilfreich sind, um den Spieler etwas zu leiten. Ohne Herausforderung in Kampf und Erkundung fühlt sich Laufen wirklich nur wie Laufen an. Insbesondere, wenn man die Gegen schon kennt. Oder das Dungeon. Kaum ein Dungeon, in den einen die Hauptquest nicht zweimal reinschickt. Bei dem einen passiert das sogar direkt hintereinander und beim zweiten Besuch ist quasi alles gleich. Bei denen, wo etwas Abstand zwischen den Besuchen ist, öffnet sich immerhin immer noch ein zusätzlicher Bereich.
Die Story hat mehr Fleisch als ein 16 Bit-RPG, ist aber auch vorhersehbar. Mir gefiel die Post-Credits-Szene, wobei ich da gleich etwas zu meckern habe.
Schließlich hat Val ja Enkel, aber wenn er nach seinem Tod mit Hina umgeht, als wäre sie die einzige Liebe seines Lebens gewesen, habe ich Mitleid mit seiner Frau, die er dann wohl nur so lala gefunden haben wird. Wäre besser gewesen, wenn ihn die Kinder als Dorfältesten oder so angesprochen hätten.
Auch die Motivation des Bösewichts finde ich nicht gut gemacht.
Mir hätte es besser gefallen, wenn er wirklich ein Hühnchen mit der Göttin zu rupfen gehabt hätte. Etwa indem er der erste Seelenwächter und seine Frau eine der ersten Geweihten gewesen wäre, und beiden war nicht klar, was das bedeutet. Da dieser Opferkreislauf im Spiel ja kritisch gesehen wird, wäre das auch eine gute Verknüpfung mit den Gedanken der Hauptfiguren gewesen.
Das Zusatzkapitel werde ich wohl nicht spielen.
Übrigens, gibt noch so einen richtig fiesen Drachen, der muss bitte auch dran glauben. Was ist das für ein billiger Aufhänger für ein paar zusätzliche Quests? Schade auch,
dass man im Zusatzkapitel trotzdem noch vor dem Endkampf steht und die Umgebung des Manabaums deshalb weiter in das schummerige Licht getaucht bleibt. Zum Glück habe ich ältere Spielstände.
Das Spiel ist einfach ein Vergnügen. Es ist halt kein Superduper GoaT, aber ein total schnuckeliges 80%-Spiel, das ich jedem Genrefan und SNES-Veteranen empfehlen möchte, sofern er damals RPGs oder Action-Adventure gespielt hat. Wer unter 35 ist, wird vermutlich nicht auf dieser Nostalgieebene angesprochen, dann wird das wohl je nach Märchenaffinität eher ein 70er sein, vielleicht noch weniger, wenn dieser hypothetische Jungspund fixiert auf Open World-Designs ist.
Übrigens hatte ich mehrmals gedacht, Morley will mich umbringen. Wie er immer nach Kämpfen mit seinen gezückten Dolchen geduckt hinter mir her gerannt ist, sah oft zum Schießen aus.