Die Zeit rinnt mir durch die Finger. Während die Jahre vergehen und mein Körper verwelkt, und noch schlimmer, die Konsolenhardware verschleißt, bin ich des Vergänglichen eingedenk und möchte die schal gewordenen Früchte verschlingen, eh sie vor meinem faltige Angesicht vergehen.
Sprich ich habe mir vorgenommen, jetzt all die PSOne-Spiele durchzuspielen, die ich für mein "Ich spiele ein Jahr nur PSOne"-Projekt besorgt habe, das ich im letzten Jahr des GUF begonnen habe und in dem gleichzeitig ersten Jahr von Corona abgebrochen habe, weil ich die Zeit größtenteils in der Wohnung meiner damaligen Freundin verbracht habe, die keinen Fernseher hatte. Wenn sie einen gehabt hätte, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass der keinen RGB-Anschluss gehabt hätte, freilich auch nicht sehr gering gewesen.
Aber weil ich auch die PS2 bisher im Vergleich zu anderen Konsolen stiefmütterlich behandelt habe, mache ich da einen Wechsel, ein PSOne, ein PS2-Spiel. Bis dahin hat mich die aktuelle Gen vorübergehend verloren. Ich hatte schon mit Final Fantasy VII Rebirth angefangen, als ich den Entschluss gefasst habe. Das ließ sich übrigens ziemlich cool an, war da schon in der Open World.
Vielleicht tritt auch ein halbwegs aktuelles Spiel oder eines für eine andere Retro-Konsole anstelle eines PS2-Spiels im Wechsel an. Aber die PSOne ist jetzt Priorität.
Und so erlebte ich die letzten Tage ein Kleinod, das mich richtig darin bestärkt hat, das jetzt durchzuziehen, so eine Retro-Entdeckung, die ich bis zur Planung für das alte Projekt nie auf dem Schirm gehabt habe, bei dem ich skeptisch war, ob das jetzt wirklich sein muss, das aber wirklich cool war. Ich spielte
Fade to Black
Das war der offizielle Nachfolger von Flashback. Microids hat letztes Jahr also dreist gelogen, als Flashback 2 erschienen ist.
Das Spiel ist ein waschechtes 3D-Action-Adventure aus dem Jahre 1995. Keine vorgerenderten Hintergründe, nahezu keine Bitmaps und Sprites, jede Figur und Umgebung besteht aus Polygonen und wird in Echtzeit von der Hardware berechnet. Ein Jahr vor Tomb Raider und Super Mario 64. Das fiel in meine "Videospiele sind für Kinder"-Phase, seinerzeit ging es voll an mir vorbei. Und auch danach habe ich lange nichts von gehört, wohl wirklich erst vor knapp 5 Jahren, als ich den Spielekatalog der PSOne recherchiert habe.
1995 erschien es übrigens nur für MS-DOS, die PSOne-Version folgte 1996, dann nicht mehr mit so viel Abstand zu Lara und Mario - na ja, zu Mario als Europäer schon, hier erschien das N64 ja erst 1997. Den größten Abstand zu den genannten Spielen markiert wohl der Verzicht auf alle Schrägen. Es gibt keine Rampen und Treppen, in mehrstöckigen Leveln kommen immer Fahrstühle zum Einsatz.
Gegenüber einem 1995er DOS-PC kann die mausgraue Playstation eine gewisse Überlegenheit ausspielen, das Spiel ist auf der PSOne hübscher als auf dem PC. Ich habe nur ein paar Screenshots zum Vergleich angeschaut, aber da haben sie im Port offenbar mehr aus dem Vollen schöpfen können.
Der Ruf des Spiels ist nicht so gut. Auf NINRETRO habe ich gesehen, dass die deutsche Presse das Spiel recht gut bewertet hat, was sich in der Kommentarspalte einer nur mit Korruption erklären kann.
Ne, ich erkläre es mir mit der Qualität des Spiels. Es ist ungelenk. Es hat eine Panzersteuerung. Das schreckt viele ja ab. Mich bekanntlich nicht. Wenn nur ein Steuerkreuz im 3D-Raum zur Verfügung steht, halte ich dies auch eindeutig für die bessere Wahl. Die Grafik kann nicht mit den bald folgenden PSOne-Spielen mithalten, als die Programmierer die Hardware und 3D-Engines im Allgemeinen besser in den Griff bekamen. Aber es ist ja auch älter. Besser als JumpingFlash! sieht es allemal aus.
Also, wie auch immer, wir haben einen 3D-Action-Adventure Uropa. Und ich schätze, der Ruf kommt von einer Unerfahrenheit auf beiden Seiten zustande. Die Entwickler hatten für nur sehr wenig Vorbilder, die Spieler waren so etwas auch noch nicht gewohnt. 3D war damals oft noch First Person oder man saß in einem Fahrzeug.
Aus heutiger Sicht finde ich es jedenfalls erstaunlich, wie dicht manches an heute noch gültige Prinzipen ist. Ein Beispiel ist die Shootersteuerung. Zückt man die Waffe, zoomt das Spiel von der normalen Kamera zu einer Schulterperspektive heran. Heute Standard, wird es noch viele Jahre dauern, bis sich das System etabliert. Fast zwei Generationen, so richtig Standard wird es erst nach den Erfolgen von Gears of War und Uncharted, auch wenn es das über die Jahre immer wieder mal gegeben hat. Mir fällt da Body Harvest als zeitgenössischeres Beispiel ein. Man kann sich auch in dieser Perspektive bewegen, nur das Zielen erfolgt mehr oder weniger halbautomatisch, wenn man sich ungefähr zum Gegner ausgerichtet hat.
Das Spieldesign ist den Labyrinthshootern seiner Zeit verwandt, aber im Vergleich zu einem Doom oder Quake dreht sich nicht alles um Schlüsselkarten und Schalter. Es gibt komplexere Rätsel, etwa den Missbrauch eines Minenbohrers, um an einen Schrank heranzukommen, den man aber erst mit einem Vorrat an Energiezellen durch einen verstrahlten Bereich bringen muss, wofür es einen Schutzanzug braucht. Da die Level in ihrer Größe überschaubar sind und die Zahl ungewöhnlicher, sprich offensichtlich für Interaktionen gedachte Objekte, gering ist, hatte ich keine großen Probleme, aber ich bin auch an diese Spiellogik damaliger 3D-Spiele gewohnt, was zum Release dieses Spiels die wenigsten waren.
Die Gegner sind auch viel weniger als in den Labyrinthshootern. Es würde mich wundern, wenn es in einem Level mehr als 20 Gegner gegeben hat. Das Gegnerverhalten ist auch vergleichsweise fortschrittlich. Sie laufen nicht nur ballernd auf den Spieler zu, wenn sie ihn entdecken, sondern nutzen schon Deckung aus, hinter der sie sich auch ducken. Wenn man als Spieler hinter einer Deckung hockt (mit Seitwärtsschritten kann man Türrahmen und Flurecken gut als Deckung nutzen, ducken kann man sich nicht) und mit mehreren Gegnern kämpft, kann man sich sicher sein, dass einer der Gegner aus der Deckung rauskommt und sich einem nähert. Mir scheint aber, wenn ein Gegner sich zum Voranstürmen entschieden hat, kann er nicht mehr in eine Position-Halten-Routine zurückkehren. Aber es hat sich in diesen Situationen immer der Gegner genährt, den man am schlechtesten dabei sehen konnte. Ich nehme an, die Routine ist simpel, der dem Spieler nächste Gegner geht in den Sturm. Wenn man Ecken als Deckung nutzt, ist es vermutlich einer, der am nächsten an der Wand ist und damit aus der Ecke am schwersten zu sehen ist. Aber wenn sich die Programmierer etwas dabei gedacht haben, war es pfiffig! Da wird man schon mal überrascht, wenn plötzlich einer in den Nahkampf geht.
Oh, mit den Fäusten kann man nicht kämpfen, da sind die Gegner klar im Vorteil.
Das Spiel setzt auch auf viele Geschicklichkeitspassagen mit zu überspringenden, elektrischen Bodenplatten, beweglichen Lasern und Kraftfeldern. Die sind auch mal zeitkritisch, so dass man mehrere Sprünge direkt hintereinander landen muss. Hier sorgt die ungenaue Steuerung am häufigsten für Probleme. Wie kurze Zeit später Lara Croft ist die Welt unsichtbar in Quader eingeteilt und der Sprung überspringt ziemlich zuverlässig einen Quader. Aber das Spiel greift manchmal in die Richtung des Sprungs ein, vermutlich, um zu verhindern, dass man gegen die Wand springt, aber mehr als einmal hat diese Korrektur mich rücksichtslos in den Tod geschickt.
Man kann es nicht verhehlen, einiges lief über Trial & Error. Aber man kann vier Schnellspeicherstände anlegen, die im RAM der Konsole abgelegt sind. Zum richtigen Speichern muss man ins Hauptmenü zurück und einen der Schnellspeicherstände auf die Memory Card ziehen. Das ist umständlich und wäre besser auch aus dem Pausenmenü gegangen, aber vier Schnellspeicherstände sind genug, um kurze Erfolge festzuhalten und trotzdem einen Sicherheitsspielstand am Anfang des Levels zu behalten. Ich fand es daher okay, genervt hat nur, dass einen das Spiel nach dem Tod immer an den Levelanfang schickt und man erst dann im Pausenmenü einen der Spielstände laden kann. Der Sprung in den Spielstand geht aber ohne Ladezeit, daher ist es nicht so schlimm, wie man denken könnte. Leider muss man das aber auch machen, wenn man ohnehin noch ganz am Anfang des Levels ist, denn nach dem Tod setzt er einen mit der Startausrüstung des Spiels ins Level und nicht mit dem, was man schon alles seit Spielstart gesammelt hat. Mit der Standardmunition hat man ab Level 4 eigentlich keine Chance. Also muss man nach jedem Ableben manuell den letzten Spielstand laden.
Wenn man stirbt, wird übrigens ein Renderfilm zur Todesart abgespielt. Das ist eine überbordende Begeisterung für das junge Medium CD, die auch nervt. Es dauert immer, bis die Playstation den passenden Film gefunden hat. Wenn man also erschossen wird, starrt man ungefähr drei Sekunden auf ein eingefrorenes Bild, um dann eine zweisekündigen Film zu sehen, in dem man umfällt. Mein Eindruck war auch, dass dies in späteren Leveln immer länger gedauert hat. Vermutlich sind die Daten für die ersten Level näher am Block mit den Todesfilmen auf der CD gespeichert.
Todesarten gibt es übrigens viele. Man wird erschossen, ein Laser säbelt einem die Hand ab, Säure frisst die Haut vom Schädel, man verbrennt, erleidet einen Stromschlag oder wird von einer Klinge aufgespießt. Das ist mitunter so brutal, wie es klingt. Die USK-Freigabe war übrigens ab 16. Nur im letzten Level habe ich eine Todesart entdeckt, für die es keinen Renderfilm gibt, dann friert das Spiel ein und setzt einen gleich zum Levelstart zurück. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, dass der Film auf meiner CD nicht lesbar ist, aber ich denke, dann würde das Spiel doch eher abstürzen als ihn zu überspringen? Komisch, zumal es nur eine andere Art von Laser war und man den einen Film dafür hätte zweitverwerten können.
Eine interessante Todesart ist in Räumen auf Raumschiffen oder Stationen mit Fenstern in den Weltraum gesaugt zu werden, wenn Fehlschüsse eines dieser Fenster zerstören. Coole Idee, aber dafür ist das Zielen zu ungenau, das löst man also eher schuldlos aus. Außerdem können Gegner die Fenster auch zerschießen und das hat man dann gar nicht unter Kontrolle. Oder indirekt schon, muss man sich halt von Fenstern fernhalten.
Jedenfalls, häufiges Schnellspeichern schont die Nerven. Würde Fade to Black wie viele Spiele dieser Generation Speichern nur nach jedem Level oder an wenigen Punkten erlauben, wäre das Spiel aber wohl ungenießbar. Die Kehrseite ist, dass man sich das Spiel totspeichern kann. In einem der letzten Level gibt es eine Sprungpassage mit Zeitlimit. Man hat einen Korridor, an dessen Anfang und Ende tödliche Lichtschranken sind und zwischendrin viele Gefahren. Aus dem Korridor gibt es kein Entrinnen, wenn die Schranken wieder angehen, am Speichern würde einem das Spiel aber nicht hindern. Weh dem, der da seinen festen Spielstand auf Memory Card zieht. Mit Selbstmord käme man zwar zum Levelanfang, aber dann ohne Ausrüstung und eigentlich chancenlos.
Jedenfalls hatte ich meinen Spaß und historisch gesehen ist es der Knaller, weil man so viele Ansätze entdeckt, wie Spiele kurze Zeit später oder gar erst viel später funktioniert haben, nur halt oft sehr archaisch.
Die deutsche Synchro ist übrigens überraschend gut gewesen, irritierend nur die knallhart deutsche Aussprache englischer Namen. Hank mit A und der Hyperraum ist der Hiepperraum - wobei mich das irritiert. Da steht doch ein Y. Ich bin doch nicht der einzige, der damals das Yps-Magazin Üps und nicht Iebs gesprochen hat, oder?